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Channel: Kommentare zu: Änderungen der EU-Verträge zugunsten des europäischen Grundrechtsschutzes?
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Von: Tobias Brings

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Als Antwort auf CB.

Lieber CB,

vorweg: Besagten Beitrag von Herrn Professor DDr. Grabenwarter hätte ich gestern gerne noch spontan in Bezug genommen. Er erschien jedoch leider nur in der Printausgabe der FAZ und wurde bisher noch nicht allgemein zugänglich online veröffentlicht.

Zur Sache:
Abgesehen davon, dass ich eine Vertragsänderung für die logische Konsequenz halte, sehe ich letztlich auch eine größere Chance im unionsinternen Umgang mit den genannten Problembereichen. Gerade der angesprochene Wille der Mitgliedstaaten signalisiert allgemeine Kompromissbereitschaft untereinander. Das fundamentale Problem bliebe dann allerdings mMn weiterhin, dass die erforderlichen Änderungen mehrheitlich nur im ordentlichen Änderungsverfahren erfolgen könnten – und mir das Risiko von dessen Instrumentalisierung für andere politische Zwecke derzeit relativ groß scheint. Dennoch muss diese Alternative im Sinne einer weitreichenden Optimierung des Grundrechtsschutzes weiterhin in der Diskussion bleiben.

Die Situation in der GASP ist in meinen Augen aus mehreren Gründen das Sorgenkind dieses Gutachtens. Zum einen – und da stimme ich zu – weil in diesem Bereich ein politischer Konsens generell die größten Hürden zu bewältigen hätte.
Zum anderen aber v.a. weil hier durch den EuGH ein ganz wesentliches strukturelles Problem offen gelegt wird: ein direktes Aufeinandertreffen des Grundsatzes der Autonomie des Unionsrechts mit dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung mit Blick auf die Rechtsprechungskompetenzen des Gerichtshofs. Herr Grabenwarter greift insofern ein Argument von GAin Kokott auf: „Doch ist anzunehmen, dass dies [die Übertragung der ausschließlichen Rechtsprechungskompetenzen auf den EGMR] keine Unionsrechtswidrigkeit bedeutet, weil mit dem Autonomieschutz nur Rechtsprechungskonflikte vermieden werden sollen und diese Divergenz in der Kontrolle bei der Entstehung des Vertrags von Lissabon bewusst in Kauf genommen wurde.“ Der EuGH hingegen geht über diesen Zweck hinaus, treibt den Autonomiegedanken auf die Spitze und verlangt im Prinzip eine allgemeine „Annex-Rechtsprechungskompetenz“ zugunsten des Gerichtshofs, sofern denn in einem Bereich des Unionsrechts überhaupt Recht gesprochen werden soll. Sprich, sollten sich die Mitgliedstaaten für eine unionale Zusammenarbeit entscheiden, dann verlangt das Prinzip der Autonomie des Unionsrechts, dass eine Rechtsprechung in diesem Bereich (zumindest auch) durch den Gerichtshof erfolgen muss.
Wie bereits andere vor ihm stellt Grabenwarter zurecht fest: „Zum anderen wäre es allgemein kaum hinnehmbar, dass Teile des Unionsrechts wie der GASP, die sich in der Vergangenheit als durchaus grundrechtssensibel erwiesen haben, a priori von der Kontrolle des EGMR weitgehend ausgenommen wären.“ Eine solche Ausnahme dürfte aber in Anbetracht des Standpunktes des EuGH mMn die einzig denkbare Alternative neben einer Vertragsänderung sein. Ein „Zurückrudern“ ist zwar nicht ausgeschlossen, scheint mir aber in Anbetracht der grundlegenden Relevanz dieses Einwandes ohne Glaubwürdigkeitsverlust schwer zu bewerkstelligen.


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